Problematische TEMU-Rechnungslegung für deutsche E‑Commerce-Händler

Valentin Gavilan
Valentin Gavilan am 15. September 2025

Erstellt TEMU fehlerhafte Rechnungen für deutsche Händler? Erfahren Sie, warum die aktuelle Praxis in unseren Augen problematisch ist und wie Sie eine mögliche Doppelbesteuerung vermeiden.

TEMU Rechnungslegung - EasyPliant Buchhaltungsautomatisierung
Die Inhalte dieses Beitrags wurden mit größter Sorgfalt erstellt. Sie stellen jedoch keine steuerliche oder rechtliche Beratung dar, sondern spiegeln ausschließlich unsere Einschätzungen und Erfahrungen wider. Die EasyPliant GmbH ist ein Schnittstellen-Anbieter für die vorbereitende Buchhaltung und keine Steuerberatungskanzlei. Für verbindliche Auskünfte und die Klärung individueller Fragestellungen sollten Sie Ihre SteuerberaterIn konsultieren.

Das Problem mit TEMU-Rechnungen: Warum deutsche Händler aufpassen müssen

Wenn Sie als E‑Commerce-Händler über TEMU verkaufen, könnte Ihre Buchhaltung ein ernsthaftes Problem haben – und Sie wissen es möglicherweise noch nicht einmal. Die Marktplatz-Plattform TEMU erstellt im Namen deutscher Händler automatisch Rechnungen, die nach unserer Auffassung möglicherweise nicht mit dem deutschen Steuerrecht vereinbar sind. Die Folgen: Falsche Umsatzsteuerberechnungen, potenzielle Doppelbesteuerung und erhebliche Nachzahlungsrisiken.

Das Preismodell von TEMU

Es ist wichtig, zunächst das Preismodell von TEMU zu verstehen, das sich von anderen Marktplätzen wie Amazon oder OTTO unterscheidet. TEMU arbeitet mit einem zweistufigen Preismodell:

  • BasePrice: Der vom Händler festgelegte Mindestpreis. Es ist der Mindestpreis, den der Händler bereit ist, für sein Produkt zu akzeptieren (i. d. R. seine Kosten + gewünschte Marge). TEMU verwendet diesen Preis als Grundlage, um zu berechnen, wie viel sie dem Händler nach einem Verkauf auszahlen.
  • RetailPrice: Das ist der Endkundenpreis, der in der TEMU-App bzw. auf der Website angezeigt wird. TEMU steuert und passt diesen Preis oft dynamisch an (z. B. basierend auf Aktionen, Rabatten oder Wettbewerbsfaktoren). Er liegt in der Regel höher als der BasePrice, um Spielraum für Rabatte, kostenlosen Versand und TEMUs Marketingstrategien zu lassen. Er kann jedoch auch niedriger als der vom Händler festgelegte BasePrice sein.

Beispiel:

Der Händler listet ein Produkt mit einem BasePrice von 5 €. TEMU könnte es mit einem Verkaufspreis von 9,99 € anzeigen. Ein Käufer sieht 9,99 € (und vielleicht eine Promoaktion „40 % Rabatt → 5,99 €“). TEMU kassiert 5,99 € vom Käufer, aber die Auszahlung an den Händler basiert trotzdem auf dem vereinbarten Basispreis von 5 € (abzüglich Gebühren).

Wenn TEMU Produkte unter dem BasePrice verkauft, um Kunden anzulocken, leistet die Plattform eine Ausgleichszahlung an den Händler. Genau hier beginnt das Problem.

Der fehlerhafte Rechnungsprozess

Bei einer Unterschreitung des BasePrice passiert Folgendes. TEMU erstellt zwei Rechnungen:

  1. Rechnung an TEMU selbst: TEMU erstellt im Namen des Händlers eine Rechnung an seine Betreibergesellschaft in Irland (Whaleco Technology Limited) über den Betrag, der den BasePrice unterschreitet – inklusive deutscher Umsatzsteuer.
  2. Rechnung an den Endkunden: Parallel wird eine Rechnung an den deutschen Endkunden über den vom Endkunden gezahlten Betrag ausgestellt – ebenfalls mit deutscher Umsatzsteuer.

TEMUs Argumentation lautet, dass TEMU und der Endkunde gemeinsam den Artikel vom Händler zahlen und somit auch gemeinsam kaufen.

Warum dieses Vorgehen in unseren Augen problematisch ist

Der Kernfehler in TEMUs Argumentation liegt in unseren Augen in der Gleichsetzung von gemeinsamer Zahlung und gemeinsamem Kauf. Der Kauf und die Zahlung sind jedoch separate Akte, die unterschiedlich zu bewerten sind und unterschiedliche steuerliche Auswirkungen haben. Im vorliegenden Fall zahlen TEMU und der Endkunde gemeinsam die Bestellung. ABER: Allein der Endkunde kauft (erwirbt) die Ware. TEMU ist NICHT der Käufer. Dieser Unterschied hat umsatzsteuerliche Auswirkungen.

Das Umsatzsteuergesetz definiert einen steuerpflichtigen Umsatz als eine Leistung oder Lieferung, die ein Unternehmen gegen Entgelt ausführt (UStG §1 Abs 1). Der Leistende in diesem Fall ist der Händler, der den Leistungsgegenstand – die Ware – verkauft. Der Leistungsempfänger ist der Empfänger der Warenlieferung, der allein die Verfügungsgewalt über den Leistungsgegenstand erhält. Dieser Leistungsempfänger ist der Endkunde und nicht TEMU.

Klassische Fragen, die dies veranschaulichen sind:

  • Wer erhält die Verfügungsmacht über die Ware? → Der Endkunde, nicht TEMU.
  • Wer erwirbt das Eigentum an der Ware? → Der Endkunde, nicht TEMU.
  • Wer kann die Ware weiterverkaufen? → Der Endkunde, nicht TEMU.
  • Könnte TEMU die Ware vom Kunden herausverlangen? → NEIN
  • Könnte TEMU vom Händler Wandlung/Minderung bei Mängeln verlangen? → NEIN

Wenn TEMU wirklich der Käufer (Leistungsempfänger) wäre, müsste TEMU:

  • Einen Kaufvertrag mit dem Händler haben
  • Gewährleistungsrechte im Hinblick auf die Waren gegenüber dem Händler haben
  • (Mit-)Eigentum an der Ware erwerben
  • Die Ware erhalten können

Zusammenfassung:

TEMU zahlt zwar einen Teil der Bestellung, ist jedoch kein (Mit-)Käufer. Deshalb ist die derzeitige Praxis der Mehrwertsteuerberechnung und Rechnungslegung in unseren Augen problematisch.

Korrekte Einordnung der Subventionszahlung

Nach § 10 Abs. 1 UStG handelt es sich bei TEMUs Zahlung um ein Entgelt von dritter Seite. Diese Zahlung ist eine Subvention und für TEMU eine Marketing-Ausgabe. Die Zahlung ist Teil der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer, aber kein eigenständiger steuerbarer Vorgang. Es besteht zwischen dem Händler und TEMU im Kontext dieser Subventionszahlung kein umsatzsteuerpflichtiger Leistungsaustausch im Sinne des UStG. Es handelt sich lediglich um eine Preisreduktion für den Endkunden, ohne dass ein Dreiecks- oder Drittleistungsaustausch vorliegt.

„Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer.“§ 10 Abs. 1 UStG

Mögliche Folgen

1. Falsche Bemessungsgrundlage

Die Rechnung an den Endkunden weist eine zu niedrige Bemessungsgrundlage aus. Die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Umsatzsteuer muss der Netto-Preis sein, den der Endkunde tatsächlich bezahlt hat, zuzüglich der von TEMU geleisteten Subventionszahlungen.

2. Unberechtigter Steuerausweis

Die Rechnung an TEMU (Whaleco) dürfte gar nicht existieren, da kein steuerbarer Umsatz vorliegt. Nach § 14c UStG entsteht trotzdem eine Steuerschuld auf die unzutreffend ausgewiesene Umsatzsteuer.

3. Gefahr der Doppelbesteuerung

Für die TEMU-Subvention besteht die Gefahr, dass diese faktisch zweimal besteuert wird:

  • Einmal über die (fehlerhafte) Rechnung an TEMU
  • Einmal als Teil der Bemessungsgrundlage beim Endkundenverkauf

Was bedeutet das für betroffene Händler?

Für deutsche Händler, die auf TEMU aktiv sind, entstehen konkrete Risiken.

  • Betriebsprüfungsrisiko: Falsche Umsatzsteuervoranmeldungen können bei Prüfungen aufgedeckt werden
  • Nachzahlungen: Sowohl für vergangene als auch laufende Geschäfte drohen Steuernachforderungen
  • Compliance-Verstöße: Nicht-konforme Buchführung gefährdet die GoBD-Konformität
  • Strafzinsen: Bei verspäteter Korrektur können Zinszahlungen zusätzlich zu den Nachzahlungen kommen

Lösung

EasyPliant hat in den vergangenen Monaten vertrauensvoll mit TEMU zusammengearbeitet, um Awareness für die buchhalterischen Anforderungen deutscher HändlerInnen zu schaffen und Lösungen zu entwickeln, um TEMU sicher und sauber in der Buchhaltung abbilden zu können.

Unsere TEMU-Schnittstelle ermöglicht eine korrekte Verbuchung der Verkaufserlöse einschließlich der Subventionszahlungen von TEMU. Dabei werden die Zuschüsse von TEMU korrekt als umsatzsteuerpflichtige Erlöse gebucht, sodass eine saubere Umsatzsteuer-Voranmeldung möglich ist.

Unsere Gespräche mit TEMU dauern an und wir arbeiten derzeit gemeinsam an einer Lösung für die problematische Rechnungslegungspraxis. Hierzu werden wir in Kürze an dieser Stelle informieren. Gegenstand der Gespräche ist auch die problematische Handhabung von Schadensersatzzahlungen (Reimbursements), die von TEMU aktuell ebenfalls (in Teilen) als steuerpflichtige Umsätze mit deutscher Umsatzsteuer verrechnet werden.

Fazit

Es besteht Handlungsbedarf. Händler, die sich bei der Buchhaltung allein auf die Rechnungslegung von TEMU verlassen, riskieren Nachzahlungen. Die gute Nachricht: Mit dem richtigen Know-how und den passenden Tools lässt sich das Problem lösen.

Ihre nächsten Schritte:

  1. Prüfen Sie Ihre TEMU-Buchungen
  2. Konsultieren Sie Ihren Steuerberater
  3. Implementieren Sie eine konforme Lösung, ggf. mit unseren Lösungen

Weiterführende Informationen

Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 15. September 2025. Alle Angaben zu gesetzlichen Regelungen entsprechen dem Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung und stellen keine steuerliche Beratung dar. Für verbindliche Auskünfte konsultieren Sie bitte Ihren Steuerberater.

Valentin Gavilan

Valentin Gavilan

Tax Specialist E-Commerce / Online-Händler

Steuerfachangestellter, Fachassistent für Digitalisierung und zertifizierter „Tax Specialist E-Commerce“. Beschäftigte sich schon in seiner Ausbildung primär mit dem Thema Onlinehandel, als das noch Stirnrunzeln auslöste.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Die wichtigsten Antworten zur TEMU-Rechnungslegung und deren korrekter steuerlicher Behandlung.